Vor ein paar Wochen entschloss ich mich, mir meine Weisheitszähne ziehen zu lassen. Sie machten sich bemerkbar, sie schmerzten, hin und wieder entzündeten sie sich und außerdem verschoben sie ständig den Rest meiner Zähne. Kurz: sie störten, und ich wollte mich nicht für den Rest meines Lebens mit ihnen abgeben.
Also griff ich zum Handy und meldete mich beim Zahnarzt meines Vertrauens. Doch was war das? Ich musste mir zwei Termine ausmachen! Einen Termin für ein Informationsgespräch und einen Termin für das eigentliche Zahnziehen. Alles kein Problem, schließlich ist es ja auch nicht ganz unproblematisch, so einen Zahn zu entfernen.
Gesagt getan. Ich hatte mein Informationsgespräch. Der Zahnarzt informierte mich genauestens darüber, welche Risiken beim Entfernen der Weisheitszähne bestehen. Unter anderem wurden als Risiken aufgezählt:
- Infektionen, Wundheilungsstörung
- Blutung, Nachblutung
- Thrombose, Embolie
- Allergie, Überempflindlichkeitsreaktion
- Schmerzen, Schwellung
- Teilerfolg, Misserfolg
Außerdem wurde ich noch auf die Alternative aufmerksam gemacht, nämlich die, die Zähne einfach nicht ziehen zu lassen. Das war für mich keine Option. Für mich stand auch nach dem Beratungsgespräch fest: Die Zähne müssen raus!
Doch das konnte nicht gleich geschehen. Ich bekam einen Zettel mit allen Infos mit nach Hause, den ich mir noch einmal in Ruhe durchlesen und dann unterschreiben sollte. Wichtig war, dass ich den Zettel 24 Stunden vor dem Eingriff in der Hand hatte und mir so noch genügend Zeit blieb, darüber nachzudenken.
Fünf Tage später hatte ich den Termin. Etwas nervös war ich schon, als ich die Arztpraxis betrat. Ich gab den Zettel mit meiner Einverständniserklärung ab (die ich genau durchgelesen hatte) und begab mich dann in ein Behandlungszimmer. Dort wurde ich noch einmal über den Hergang der Operation aufgeklärt. Und dann ging’s in den Operationsaal.
Etwa fünfzehn Minuten später waren drei überflüssige Zähne (der vierte Weisheitszahn war gar nicht vorhanden) professionell und unter Betäubung aus meinem Kiefer entfernt worden. Man röntgte mich noch, obendrauf bekam ich Schmerztabletten verschrieben. Eine Tablette musste ich nehmen, wenn die Betäubung nachlässt und eine vor dem Schlafen gehen.
Doch zum Abschluss bekam ich noch ein Souvenir: meine drei Weisheitszähne, die ich über zehn Jahre in mir herumgetragen hatte! Voller Stolz betrachtete ich die blank polierten weißen Klumpen. Schön waren sie ja doch. Gestern hatte ich noch versucht, sie mit meiner Zahnbürste zu erreichen, heute lagen sie unschuldig in meiner Hand. Die Operationswunden heilten schnell. Schmerztabletten brauchte ich nur den ersten Tag, bei dem Kontrolltermin eine Woche später war alles fast vollständig verheilt.
Doch wie ist das mit Abtreibung in Österreich? Wie sieht es hier mit der verpflichtenden Beratung aus? Wie wird man hier auf die Alternativen aufmerksam gemacht? Muss man hier, wie bei einem Weisheitszahn, auch 24 Stunden Zeit haben, um nachzudenken?
Nein. Eine Frau hat keine Zeit, sich in Ruhe die Alternativen durch den Kopf gehen zu lassen. Zwar gibt es ein verpflichtendes Beratungsgespräch, dieses wird aber direkt vor der Abtreibung durchgeführt. Und das Beste daran: dieses Gespräch führt der Abtreibungsarzt selbst. Der Arzt, der sein Geld mit Abtreibung verdient, klärt die Frau darüber auf, warum sie eventuell nicht abtreiben lassen sollte.
In Österreich scheint also einem Weisheitszahn mehr Bedeutung zuzukommen als einem Kind vor der Geburt. Um einen Weisheitszahn ist es ja wirklich nicht schade. Aber ein Kind, das getötet wird, soll völlig egal sein? Eine Abtreibung ist ein weit schwerwiegender Eingriff als einen Zahn zu ziehen.
Während ich mich kindlich über meine gezogenen Weisheitszähne freue, trauern in Österreich tausende Mütter ihrem Kind nach, einem Kind, das eigentlich nicht sterben musste. Ich bekam meine Zähne schön gesäubert und gebleicht mit nach Hause. Bei einer Abtreibung würde niemand nur ansatzweise darüber nachdenken, der Frau die Überreste ihrer „Schwangerschaft“ nach Hause mitzugeben! Warum nicht? Weil es nicht einfach nur ein langweiliges „Schwangerschaftsgewebe“ ist, sondern ein Kind, das schon Hände, Füße und ein Gesicht hat.
Was kann man machen? Für die Kinder vor der Geburt wäre schon sehr viel getan, wenn das Beratungsgespräch vor einer Abtreibung von einer Person durchgeführt wird, die selbst kein Interesse daran hat, dass die Frau ihr Kind abtreiben lässt. Außerdem sollte eine Frau nach dem Beratungsgespräch noch drei Tage Zeit haben, zu überlegen, ob sie ihr Kind nicht doch behalten möchte. Dies würde im völligen Stress erst einmal Raum und Ruhe zum Nachdenken geben. Eine so wichtige Entscheidung kann nicht innerhalb von fünf Minuten im Abtreibungszimmer getroffen werden.
Und wenn so eine Idee politisch völlig blockiert wird? Als ersten Schritt könnte man eine Bedenkfrist von 24 Stunden einführen. Wie bei meinem Weisheitszahn.
Josef Büchsenmeister, Vorsitzender Jugend für das Leben
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